"Und hier ist er, der wahrscheinlich kleinste, sicher aber lauteste Vogel unseres Gartens: Ein Zaunkönig. Seit einigen Jahren schon baue ich an seinem Palast. Mehrere Meter misst der Asthaufen in seiner Länge. Begrenzt von unbehandelten Pfosten und einem Staketenzaun aus Kastanie. Brombeeren, Ramblerrosen, Efeu und Wilder Wein sind gepflanzt und sollen das Bauwerk einst überranken. So, wie es sich der zehn Zentimeter kleine Herrscher als Umgebung seiner kunstvollen Kugelnester wünscht.
Reinhard Witt rät auf der Homepage des Naturschutzbundes Deutschland (www.nabu.de) allen Zaunkönigfans unter den Gartenbesitzern zu mehr Unordnung und Vergesslichkeit. Verloren wirkende Ecken im Garten sind nämlich ganz nach dem Geschmack des Königs. Ich gebe mir die größte Mühe, aber der unordentliche Asthaufen ist einfach zu gewaltig, um ihn komplett zu vergessen. Manchmal frage ich mich, ob man das Bauwerk inzwischen vom Mond aus sehen kann, ähnlich der chinesischen Mauer. Übertrieben.
Mittendrin im Dickicht der Äste warten zwei Holzbetonhöhlen auf ihre Durchlaucht. Fertigbau vom Feinsten. Außerdem habe ich geflochtene Nisthilfen am Holzschuppen befestigt. Idyllisch. Meine Einladung zum Brüten gilt. Dennoch lässt der König auf sich warten. Zwar singt er ab und zu ganz in unserer Nähe, gebrütet wird aber vorerst beim Nachbarn. Wahrscheinlich im Efeu. Aber das kann täuschen: Seinen Gesang schmettert der weniger als zwölf Gramm leichte Vogel laut Nabu mit bis zu 90 Dezibel. Damit könne man ihn fast 500 Meter weit hören.
Immerhin: Unser Garten zählt schon mal zu des Königs Nahrungslebensraum. Hier findet er Spinnen und Insekten. Im Winter frisst der Zaunkönig auch kleine Sämereien. An unserer Futterstelle taucht der Winzling aber so gut wie nie auf. Ich beobachte ihn dagegen bei seinen Ausflügen in die Buchshecke, die Berberitze, den Holunder, oder den Brennholzstapel. Und in diesem Winter habe ich ihn wirklich im Asthaufen entdeckt. Aber den hatte ich doch fast schon komplett vergessen."
📸: @foto_dima
f/4,5 | 1/320 bis 1/500 sek | ISO 1600 | +2/3 EV
Nikon Z9 | Nikon Z 400mm 1:4,5 VR S | Einbeinstativ
Aufgenommen am 18. Januar 2024 im Siegerland